Marione Ingram: Zeitzeugin und Friedensaktivistin

Es war unserer neuen Kollegin Hendrikje Witt zu verdanken, dass Schüler:innen der 11. Klassen mit der nach dem Tod von Ralph Giordano und Peggy Parnass letzten lebenden Zeitzeugin von Holocaust und Feuersturm in Hamburg ins Gespräch kommen konnten. Marione Ingram war mit ihrem Mann Daniel, beide bis heute Friedensaktivisten in Washington D.C., nach Hamburg gereist, wo Marione am 17. September 2025 in der ATw-Aula aus ihrem Buch „Kriegskind“ zunächst aus dem eindringlichen Kapitel „Gomorrah“ las, das 2007 in „Best American Essays“ aufgenommen wurde. Ein schwer auszuhaltender Text darüber, wie sie mit ihrer Mutter als siebenjähriges Mädchen durch ihre „schlimmste und längste Nacht“ des alliierten Bombenhagels in der Hansestadt irrte, da ihnen als Juden der Weg in die Schutzräume verwehrt war. Noufal aus der 11c, geflüchtet aus Syrien, schrieb anschließend: „Das war schon krass zu hören und auch Mariones Meinung zu Gaza hat mich gefreut. Es hat mich zudem getroffen, dass sie ihre Erlebnisse als Siebenjährige geschildert hat. Mich hat das daran erinnert, was ich im gleichen Alter gesehen habe und mir sind fast die Tränen gekommen.“

Lebenslanger Kampf für Frieden und Gerechtigkeit

Im Anschluss an die Lesung entspann sich dann mit den tief berührten Elfklässler:innen und Marione eine lange und ernsthafte Diskussion, bei der schnell klar war, dass die Erlebnisse ihrer jüdischen Kindheit in Nazi-Deutschland nur die Leinwand für ihren lebenslangen Kampf für Frieden und Gerechtigkeit mit der Mahnung „Never again is now!“ bildeten. Seit Mariones Emigration 1952 in die USA engagierte sie sich in der Bürgerrechtsbewegung, protestierte gegen den Vietnamkrieg, kämpfte für die Rechte der LGBTQ Community und ging für „Black Lives Matter“ auf die Straße. Seit Oktober 2023 stehen sie und ihr Mann fast täglich mit einem „Stop Genocide in Gaza“-Plakat vor dem Weißen Haus. Doch nicht nur mit der Regierung Netanyahu geht sie hart ins Gericht. Sie macht gerade viele Parallelen zwischen Deutschland in den 1930er-Jahren und den USA aus und hat große Sorgen um ihre Wahlheimat, deren Präsidenten sie ablehnt, namentlich zu erwähnen. “Wir haben nichts aus der Geschichte gelernt. Was Deutschland mit den Juden machte, macht ‚Du weißt schon, wer‘ heute mit Flüchtlingen und Migranten.“

Als die Gestapo einst ihre Großmutter abholte, um sie ins Vernichtungslager Minsk zu deportieren, gab ihr diese mit auf den Weg: „Du musst jetzt sehr mutig sein und jeden Tag mutiger werden.“ Marione Ingram ist als Zeitzeugin mit knapp 90 Jahren eine beeindruckende Kämpferin für – wie sie es sagt – „Peace, Justice and Love“. Bald werden wir ihre Geschichten von Mut und Zivilcourage weitererzählen müssen, wenn wir unsere freiheitliche Gesellschaft bewahren wollen. Denn: „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf.“